Kommandosache
Sie standen vor der Wasseruhr im Palastgarten. Vier Männer in schwarzen Kapuzenanzügen vor neugierigen Blicken getarnt, die Gesichter und Hände mit Ruß geschwärzt. Schwer bewaffnet und gerüstet für ein geheimes Kommandounternehmen. Die vier Männer waren Profis, Spezialisten der Elitegarde. Eine heisere Stimme krächzte leise:
"Noch zwei Stunden bis zur Abendglocke. Also wir warten bis kurz vor Schluss. Dann gehen wir rein, schlagen zu und sind sofort wieder draußen. Fragen?"
"Wie verlässlich sind die Späherberichte? Können wir uns auf die Pläne verlassen, Sir?"
"Ich habe die Pläne von der Frau des Wang persönlich. Sie sind absolut verlässlich. Also gehen wir noch einmal die Liste durch..."
Deng wischte sich seine schweißige Stirn mit einem schmutzigen Lappen. Ein gutes Geschäft heute. Selbst der Lauch, von dem meist einige Stangen übrig blieben war früh aufgekauft, noch vor der Abendglocke konnte Deng Feierabend machen. Nur noch ein, zwei Rettich und Chilischoten lümmelten sich noch in den Regalen. Aber das Wurzelgemüse hielt ohnehin länger. Da machte sich Deng keine Sorgen. Seine Kasse war gut mit Münzen gefüllt. Dieser Laden in Nähe des Adelsviertels war ein echter Glücksgriff für Deng gewesen. Viele der Palastwachen kauften zum Abend hin bei ihm ein.
Müde ließ er die schweren Holzklappen vor den Fensterläden herab, im Inneren hatte er schon die leeren Gemüsekisten aufgestapelt. Gerade wollte er den Riegel vor die Tür legen, als ein Kunde noch einmal drängend von außen mit heftigen Schlägen klopfte.
"Ich habe schon geschlossen für heute."
"Öffnet die Tür bei RaeSung. Die Abendglocke hat doch noch gar nicht geschlagen."
Deng schob den Riegel zurück. Oft kamen viele Hofdiener noch zu ihm, die nicht mehr auf den nächsten Markttag warten konnten. Wenn der Herr befahl, wurde jeder Preis bezahlt; ein echter Glücksgriff dieser Laden eben. "Wartet, mein Herr, ich habe nichts in..."
Ein schwarz gekleideter Mann schob Deng rückwärts in seinen Laden. Gleichzeitig hörte Deng Krachen von der Hintertür, und einen Moment später standen vier vermummte schwarze Gestalten in der Mitte seines Verkaufsraums und umringten ihn bedrohlich. Der Größte von ihnen verriegelte die Tür, warf Deng einen schwarzen Beutel zu und knurrte mit bedrohlicher Stimme: "Vollmachen, Mann!"
Ein anderer blickte sich suchend im Laden um, überprüfte dabei ständig eine Liste und krächzte dann mit heiserer Stimme: "Hier entlang."
Deng schüttelte den Kopf. Schnell wie sie gekommen waren, waren die vermummten Männer auch wieder verschwunden. Sie hinterließen keinerlei Spuren. Aber er würde die Stimme des Anführers wieder erkennen. Sein krächzender, hässlich heiserer Tonfall hatte sich Deng tief eingeprägt. Vorrst war er nur froh, dass er unversehrt und am Leben geblieben war. Er stellte einige der umgestürzten Kisten wieder aufeinander. Eine war in Splittern über den Boden verteilt. Nicht unzufrieden, aber kopfschüttelnd legte Deng die 10 Yuan in seine Kasse, in der sich sonst nur die eckigen Fen-Münzen aus Kupfer tummelten. Golden die Yuen schimmerten sie im Licht der Öllampen. Was er heute abend wohl essen sollte, fragte sich Deng und zog seine Stirn nachdenklich in Falten.
Die Abendglocke schlug. Staatskanzler Huang zuckte unwillkürlich in sich zusammen. Auf dem Bogen vor ihm sammelten sich nur Tuscheflecken und Kritzeleien. Mit der linken Hand kratzte er ständig auf dem Papier herum. Als er Schritte hörte, sprang er auf und war mit einem Satz an seiner Tür. Ein schwarz vermummter Mann kam in den Raum und nickte Huang zu. "Wir haben alles bekommen, mein Fürst. Keinerlei Probleme.", krächzte er mit heiserer Stimme. Zufrieden nickte Huang, als er den schwarzen Beutel entgegennahm und den Mann entließ.
Mit weit ausholenden Schritten eilte der Staatskanzler gleich darauf in die Wohnpaläste der Wang-Familie. Mit strahlendem Gesicht verkündete er den staunenden Anwesenden: "Ich habe alles bekommen. Auf meine Männer kann ich mich verlassen."
"Spezialkommando?"
&uqot;Selbstverständlich. So kurz vor der Abendglocke."
"Der Rettich hier ist aber angebissen..." Huangs Frau zog einen Rettich mit spitzen Fingern aus dem schwarzen Beutel heraus. Huang selbst zuckte mit den Schultern, sein Gesicht ein entschuldigender Ausdruck schlechten Gewissens.
"Deng war eben schon beinahe leergekauft. Da kann man nicht mehr so wählerisch sein. Aber es wird sich doch noch etwas damit anfangen lassen, oder?"
"Keine Sorge, es reicht, um einen Eintopf für heute abend zu machen. Aber morgen gehe ich wohl lieber selbst wieder einkaufen."
Deng schlürfte seine fade Nudelsuppe auf eine seiner Gemüsekisten. Nachdem die Unbekannten seine Küche leergeräumt hatten, war noch nicht einmal mehr eine Chilischote übrig geblieben. Mit dem Gold, das sie aber als Entschädigung zurückgelassen hatten, würde einen eigenen Laden nur für Chilischoten aufmachen können und sich obendrein die nächsten Monate das Essen aus dem Gasthaus bringen lassen können. Dieser Laden in Nähe des Adelsviertels war wirklich ein Glückgriff gewesen...